ArchivDeutsches Ärzteblatt26/2017Medizinischer Fakultätentag: Hochschulmedizin plant die Zukunft

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Medizinischer Fakultätentag: Hochschulmedizin plant die Zukunft

Dtsch Arztebl 2017; 114(26): A-1298 / B-1080 / C-1058

Richter-Kuhlmann, Eva

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Beim diesjährigen 78. Ordentlichen Medizinischen Fakultätentag auf dem Campus Lehre des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf diskutierten die Vertreter der Fakultäten über künftige Entwicklungen in der Universitätsmedizin und bei der ärztlichen Ausbildung.

Foto: dpa
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Die Medizinischen Fakultäten wollen sich verstärkt den Herausforderungen des demografischen Wandels stellen. „Die Effekte, die eine alternde Bevölkerung mit sich bringen, sind bereits jetzt in der Universitätsmedizin deutlich spürbar“, sagte Prof. Dr. rer. nat. Heyo K. Kroemer, Präsident des Medizinischen Fakultätentages (MFT), zur Eröffnung des 78. Ordentlichen Medizinischen Fakultätentages (oMFT) am 15. Juni in Hamburg.

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Es sei eine Kunst, medizinischen Fortschritt, demografischen Wandel und die zunehmende Digitalisierung so zusammenzuführen, dass eine gute Versorgung der Bevölkerung gewährleistet sei. „Das geht nur mit exzellent ausgebildeten Ärztinnen und Ärzten und einer zügigen Translation von Innovationen in die Versorgung“, betonte er. „Die medizinischen Fakultäten und die Universitätskliniken in Deutschland wollen diesen Prozess aktiv mitgestalten“, wandte sich Kroemer an die Politik. Bun­des­ge­sund­heits­mi­nis­ter Hermann Gröhe (CDU) würdigte zur Eröffnung des oMFT die großen Herausforderungen, vor denen die Hochschulmedizin steht, und plädierte für eine starke Vernetzung. Gemeinsam müsse man Brücken bauen und Innovationen in die Versorgung tragen, sagte er.

Als positives Beispiel wies Gröhe auf die enge Kooperation zwischen den Fakultäten, dem Bun­des­for­schungs­minis­terium (BMBF) und dem Bun­des­ge­sund­heits­mi­nis­ter­ium (BMG) bezüglich der Stärkung der Medizininformatik hin. Beim gemeinsamen Förderkonzept zur Medizininformatik, das das BMBF im November 2015 erstmals der Fachöffentlichkeit vorgestellt hatte, stehen die Universitätskliniken im Mittelpunkt.

Fokus: Medizininformatik

Ziel des Konzeptes ist es, die Patientenversorgung und die Forschungsmöglichkeiten durch innovative IT-Systeme zu verbessern. „Die Möglichkeiten des medizinischen Fortschritts werden ganz wesentlich durch die Informationstechnologie bestimmt. Das Programm zur Medizininformatik hat wie wenige vor ihm einen ganzen Bereich der Universitätsmedizin in eine positive Bewegung versetzt“, zog Kroemer eine erste Bilanz.

In den nächsten Jahren wolle die Hochschulmedizin eine vernetzte und forschungskompatible elektronische Patientenakte entwickeln, die allen behandelnden Ärzten eines Patienten die notwendigen Informationen liefert und gleichzeitig das neueste Forschungswissen zur Verfügung stellt. „Durch den Ausbau der digitalen Dateninfrastruktur wird Deutschland schnelle Fortschritte in der medizinischen Forschung machen, beispielsweise, um die Herausforderungen einer immer älter werdenden Gesellschaft anzugehen“, ist Kroemer überzeugt.

Schulterschluss beim Fakultätentag in Hamburg: Bun­des­ge­sund­heits­mi­nis­ter Hermann Gröhe (rechts) und MFTPräsident Heyo K. Kroemer (links). Fotos: MFT/Sablotny
Schulterschluss beim Fakultätentag in Hamburg: Bun­des­ge­sund­heits­mi­nis­ter Hermann Gröhe (rechts) und MFTPräsident Heyo K. Kroemer (links). Fotos: MFT/Sablotny

Die Medizininformatikinitiative des BMBF habe die Grundlagen für diese forschungskompatible vernetzte Patientenakte geschaffen. Derzeit entwickelten Konsortien konkrete praxisnahe Modelle, die zunächst in der Universitätsmedizin und schließlich flächendeckend zusammen mit nicht universitären Kliniken und niedergelassenen Ärzten umgesetzt werden sollen. Die Universitätsmedizin strebt dabei die inhaltliche Synchronisation der geplanten Arbeiten mit der Gesellschaft für Telematikanwendungen der Gesundheitskarte mbH (gematik) an.

Bundes­ärzte­kammerpräsident Prof. Dr. med. Frank Ulrich Montgomery wies in Hamburg darauf hin, dass man sich zwar dem Fortschritt nicht verweigern dürfe, die Medizin aber auch in Zukunft nicht allein durch Technik geprägt sein dürfe. „Die Medizininformatik wird den Arzt nicht abschaffen, sondern ihm eine Hilfe sein“, ist er überzeugt. Auch in den kommenden Jahren werde man noch Ärzte brauchen, die mit ihren Händen arbeiten. „Der Bedarf an menschlicher Zuwendung wird bleiben“, sagte er vor den Dekanen. Die Arbeit als Arzt müsse auch als ethische Aufgabe verstanden werden. Dies sollten die medizinischen Fakultäten den Studierenden vermitteln.

Medizinstudium 2020

Kritisch betrachten die Dekane der Medizinischen Fakultäten die Entwicklungen im Rahmen des „Masterplans Medizinstudium 2020“. „Wir beteiligen uns gern an einer Weiterentwicklung des Medizinstudiums, plädieren jedoch für einen umfassenden Ansatz, der auch die Krankenhäuser und die Digitalisierung im Blick hat“, betonte Kroemer in Hamburg.

Generell teile der MFT zwar viele der Ziele, die im Beschlusstext zum „Masterplan Medizinstudium 2020“ formuliert sind. Geklärt werden müsse aber endlich die Finanzierung, da der Masterplan ja ohne klares Finanzkonzept verabschiedet wurde und die Ressourcen für eine entsprechende Implementierung immer noch schwer abschätzbar seien. „Wir brauchen keinen jahrelangen Finanzstreit“, so der Präsident. Gröhe verteidigte den Prozess: Es sei gut, sich erst auf die Positionen zu einigen und dann über die Finanzierung zu sprechen. Gleichzeitig kündigte er jedoch an, dass man noch vor der Sommerpause über die nächsten Schritte reden werde.

Ein Dorn im Auge ist dem MFT die geplante Landarztquote. So sieht beispielsweise der Koalitionsvertrag zwischen CDU und FDP in Nordrhein-Westfalen vor, zehn Prozent der Medizinstudienplätze vorab an geeignete Bewerberinnen und Bewerber zu vergeben, die sich verpflichten, nach Studium und Weiterbildung in der hausärztlichen Versorgung tätig zu sein. Für den MFT ist eine solche Quote kein adäquates Mittel, um den Ärztemangel in ländlichen Regionen dauerhaft zu verringern. Die Fakultäten unterstützen allerdings die Absicht, neben der Abiturnote weitere Kriterien bei der Studierendenauswahl zu verwenden. Hierzu legte der MFT jetzt mit der Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland (bvmd) ein konkretes Modell zur Umsetzung vor.

„Das auf dem 78. oMFT in Hamburg verabschiedete Konsenspapier ist ein echter Meilenstein und ein Signal an die Politik, auf die Erfahrungen von den Beteiligten – Medizinstudierende wie Hochschullehrer – zu setzen“, sagte Bertram Otto, Bundeskoordinator für Medizinische Ausbildung der bvmd, dem Deutschen Ärzteblatt. Konkret schlagen MFT und bvmd vor, die jetzige Vorabquote für Härtefälle, Nicht-EU-Ausländer und Sanitätsoffiziersanwärter unverändert zu erhalten und auch eine mögliche Landarztquote als Vorabquote abzubilden. Zudem sollen die bisher separaten Quoten für die Abiturbesten, das Auswahlverfahren der Hochschulen sowie die Wartezeit zu einer gemeinsamen Quote zusammengeführt werden, in die in Form von Punkten die Abiturnote, der Studierfähigkeitstest, berufspraktische Erfahrungen sowie ein Test auf kontextbezogenes Wissen und soziale Kompetenz einbezogen werden.

Dr. med. Eva Richter-Kuhlmann

MFT-Vizepräsident Matthias Frosch, Dekan der Medizinischen Fakultät in Würzburg, plädierte beim oMFT in Hamburg für eine qualitativ hochwertige wissenschaftliche Ausbildung der Medizinstudierenden.
MFT-Vizepräsident Matthias Frosch, Dekan der Medizinischen Fakultät in Würzburg, plädierte beim oMFT in Hamburg für eine qualitativ hochwertige wissenschaftliche Ausbildung der Medizinstudierenden.

Mehr Wissenschaftskompetenz

Nach Ansicht der Medizinischen Fakultäten in Deutschland sollen die Vermittlung von Wissenschaftskompetenz und die Ausbildung zum wissenschaftlichen Arbeiten künftig stärker im Medizinstudium verankert sein. Sie präsentierten in Hamburg ein Positionspapier, das den Rahmen für die Weiterentwicklung der wissenschaftlichen Ausbildung im Medizinstudium und für eine novellierte Ausbildungsordnung setzen möchte. Erforderliche Änderungen der Curricula ließen sich schon jetzt ohne Änderung der Ärztlichen Approbationsordnung herbeiführen und würden teilweise bereits an einigen Standorten in Regel- oder Modellstudiengängen umgesetzt, so die Dekane. „Wissenschaftliche Ausbildung und die Prüfung der erworbenen Wissenschaftskompetenz als Kern einer universitären Ausbildung kann nur an den Fakultäten erfolgen und nicht durch nachgeordnete Behörden von Ministerien festgestellt werden kann“, betonte Prof. Dr. med. Matthias Frosch, MFT-Vizepräsident.

Nach Ansicht des MFT sollen künftige Ärztinnen und Ärzte Wissenschaftskompetenz auf zwei aufeinander folgenden Ebenen in den Curricula erwerben:

  • Erstens soll in Lehrveranstaltungen der vorklinischen und klinisch-theoretischen Fächer die Methodenkompetenz für grundlagenorientierte, krankheitsorientierte oder patientenorientierte Forschung vermittelt werden. Diese bildet die wissenschaftliche Grundlage, die die Studierenden für Forschungsarbeiten, die Promotion und das lebenslange Lernen benötigen.
  • Münden soll diese Ausbildung in einem zweiten Schritt in der verpflichtenden Anfertigung einer Forschungs- oder Projektarbeit. Damit unterstützt der MFT die Empfehlungen des Wissenschaftsrates, eine Forschungsarbeit zum festen Bestandteil des Medizinstudiums zu machen. Wenn Studierende keine Promotion anstreben, sollen sie eine Projektarbeit anfertigen und damit ihre Befähigung zur selbstständigen Problemlösung mit wissenschaftlichen Methoden nachweisen.

Die medizinische Promotion will der MFT aufwerten. Im vergangenen Frühjahr hatte sich das Gremium bereits ausführlich zur Weiterentwicklung der Promotion in der Medizin geäußert und festgestellt, dass die medizinische Promotion ein wichtiges Instrument zum Erwerb der Wissenschaftskompetenz ist. Zur Qualitätssicherung hatte der MFT in Übereinstimmung mit der Deutschen Forschungsgemeinschaft (2010) und dem Wissenschaftsrat (2011) die Einführung strukturierter Promotionsprogramme gefordert, zu deren Bestandteil die wissenschaftliche Ausbildung in Form theoretischer Lehrveranstaltungen und Trainingsprogramme gehört.

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