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Politik

Medizinischer Fakultätentag: Ausgang der Debatte um Zahl der Studienplätze bleibt offen

Sonntag, 3. Juni 2018

/dpa

Mainz – Äußerst kontrovers diskutierte der 79. Ordentliche Medizinische Fakultätentag in Mainz, ob mehr Medizinstudienplätze nötig sind, um den Bedarf an ärztlicher Versorgung auch künftig zu decken. Günther Matheis, Präsident der Lan­des­ärz­te­kam­mer Rheinland-Pfalz, forderte ein Plus von zehn bis 15 Prozent an Medizinstudienplätzen.: „Das ist gerechtfertigt“, betonte er. „Aufgrund des demografischen Wandels und veränderten Arbeitsmodellen brauchen wir mehr Köpfe.“ Schon jetzt sei es an vielen Kliniken schwierig, offene Stellen zu besetzen.

Die Vertreter der Fakultäten zeigten sich hingegen überwiegend skeptisch. „Es geht um die Weiterentwicklung und die Qualität der gesundheitlichen Daseinsvorsorge. Dieses Ziel ist nicht synonym mit einer einfachen Erhöhung der Zahl der Studienplätze“, sagte Michael Gekle, Dekan der Medizinischen Fakultät der Universität Halle-Wittenberg. Sollte man sich nach einer genauen Evaluierung doch dazu entscheiden, müsse weiterhin die Qualität der wissenschaftlichen Ausbildung der künftigen Ärztinnen und Ärzte im Vordergrund stehen. „Es darf keinen Wildwuchs geben“, betonte er.  Derzeit erlebe man eine unkontrollierte Entwicklung, die Fakten schaffe, die wiederum aber keine Lösungen für bestehende Bedarfe seine.

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Landärztemangel bekämpfen

In der Tat entwickeln momentan einige medizinische Fakultäten im Auftrag ihrer Wissenschaftsministerien Konzepte zur Ärzteausbildung an Zweitstandorten. Die klinisch-praktische Studierendenausbildung an einem oder mehreren akademischen Lehrkrankenhäusern soll die patientenbezogene Ausbildungskapazität erhöhen, wobei die  Fakultät die universitären Qualitätsstandards sicherstellen soll. Ziel ist dabei, dem Landärztemangel im Umland des neuen „Satellitencampus“ entgegenzuwirken. „Allerdings muss man dabei die Zeitachse bedenken“, sagte Jürgen Schüttler, Dekan der medizinischen Fakultät der Universität Erlangen-Nürnberg. Campusaufbau und Ausbildung der ersten Ärzte würden fünf bis zehn Jahre benötigen. Zudem sei sehr fraglich, ob die zukünftigen Ärzte tatsächlich – wie von der Politik erhofft – in der Region „kleben“ blieben.

Es wäre naiv, zu glauben, dass sich allein durch die Erhöhung der Zahl der Studienplätze der Bedarf an Hausärzten in ländlichen Regionen decken lasse, betonte Johanna Weber, Vizepräsidentin der Hochschulrektorenkonferenz. „So simpel ist das nicht“, sagte sie. Auch die Studierenden sehen eine reine Erhöhung der Studienkapazität kritisch. „Wir warten immer noch auf die Umsetzung der Novelle des Medizinstudiums“, kritisierte Luca Salhöfer von der Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland. „Der Masterplan Medizinstudium 2020 ist längst beschlossen, aber die Finanzierung ist immer noch nicht geklärt.“

Zulassungsverfahren debattiert

Neben der Zahl der Studienplätze wurde am zweiten Tag des 79. oMFT besonders das neue Zulassungsverfahren zum Medizinstudium diskutiert. Die Erarbeitung eines neuen Verfahren durch die Kultusministerkonferenz (KMK) war nötig geworden, nachdem das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) Ende vergangenen Jahres die Studienplatzvergabe in ihrer gegenwärtigen Form für teilweise verfassungswidrig erklärt hatte (BVerfG-Urteil vom 19. Dezember 2017). Sie verstoße gegen das Grundrecht der Bewerber auf gleiche Teilhabe am staatlichen Studienangebot, befanden die Karlsruher Richter.

Sie forderten die Kultusminister der Länder auf, in einer Zweijahresfrist – also bis Ende 2019 – das Numerus-clausus-System für das Medizinstudium zu überarbeiten. „Wir wollten nicht zu viel festlegen, um die Rechtslage nicht zu versteinern“, erklärte der zuständige Verfassungsrichter, der Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts, Ferdinand Kirchhof, vor den Dekanen.

Generell sei das Gericht jedoch der Auffassung, dass die Berücksichtigung der Abiturnote bei der Auswahl von Medizinstudierenden zulässig und praktikabel sowie mit einer guten Prognose für die Eignung verhaftet sei. Auch ein individuelles Auswahlwahlverfahren der Hochschule sei zulässig – sofern mindestens ein Eignungskriterium über die Abiturnote hinaus berücksichtigt werde, erläuterte Kirchhof.

Momentan werden – entsprechend des Staatsvertrages von 2008 – 60 Prozent der Studienplätze im Rahmen des Auswahlverfahrens der Hochschulen (AdH) vergeben. Es fehle jedoch an ausreichenden Regelungen zur Standardisierung und Strukturierung, bemängelte das Bundesverfassungsgericht. Zudem kritisierte es die im maßgebliche Berücksichtigung der Abiturnoten ohne adäquaten Ausgleich länderspezifischer Unterschiede bei deren Vergabe. Die Wartezeit wurde vom Gericht differenziert betrachtet: Als Aufnahmekriterium würde theoretisch hingenommen, dürfe aber nicht so lang sein wie in den vergangenen Jahren, erläuterte Kirchhof.

Kirchhof optimistisch

Insgesamt zeigte sich Kirchhof optimistisch bezüglich des neuen Zulassungsverfahrens: „Ich bin sicher, dass bei der Ausgestaltung viele Wege offen bleiben“, konstatierte er.   Bernhard Marschall, Geschäftsführer des Instituts für Ausbildung und Studienangelegenheiten der Universität Münster, sah nicht so viele Möglichkeiten. Er kritisierte einen mangelnden Spielraum, den die Hochschulen künftig bei der Auswahl „ihrer Studierenden“ haben werden.  

Stehen müssen die neuen Regelungen bis Ende 2019. Dann muss ein neuer Staatsvertrag geschlossen sein. Ein erster Entwurf soll nach KMK-Angaben im Herbst 2018 vorliegen, um diesen bis zur Frist durch die Länder zu beschließen und gleichzeitig die Neuprogrammierung der Software bei der Stiftung für Hochschulzulassung starten zu können. © ER/aerzteblatt.de

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